Technikgott

Unverständnis befällt mich angesichts der vollkommen unsinnigen Verhaltensweisen diverser Konzertbesucher:
Sie zahlen teilweise horrende Eintrittspreise, nur um anschließend nicht der musikalischen Darbietung zu lauschen oder das Live-Geschehen zu genießen, sondern sie ziehen es vor, sich alles als verwackelte Angelegenheit auf ihrem Mobilfunkdisplay anzusehen. Zu allem Überfluss halten sie auch noch ihre Telefone hoch, so dass jeder, der hinter ihnen steht, auch gezwungen ist, sich das schöne Konzert als mieserable Abbildung auf dem Telefon eines vollkommen unbegabten Kameramenschen anzuschauen. Mögen ihnen allen die Daumen abfaulen!
Meine erklärte Hochachtung gilt jedem, der „aus Versehen“ den entsprechenden Leuten beim Tanzen das Gerät aus der Hand schlägt und anschließend mit seinen metallbesohlten Schuhen „aus Versehen“ draufstampft. Aber das ist ja bedauerlicherweise verboten.
Gewöhne Dir dieses ignorante und egoistische Verhalten bitte schleunigst wieder ab, Welt! Ist doch auch zu blöd, das Ganze. Denn wer will sich denn schon gerne beschissene Filme mit überbelichteten, verwackelten Bühnen und räudigster Tonqualität ansehen?!
Richtig: Niemand!
Und vermutlich auch all die Trottel nicht, die die Scheiße drehen.
Aber auf Youtube hochladen und das mit Mist gewiss nicht eben arme Internet nachhaltig weiter vollmüllen, das geht gerade noch!
Arme Welt.
Hilfe…

Meldung

Ein vortreffliches Mahl wird in meinem Inneren derzeit mithilfe von Magensäure zersetzt. Es wurde mir von meinen Söhnen kredenzt.
Es gab selbstgemachte Frühlingsrollen. Die müssen ja in heißem Fett geschwenkt werden. Dieses heiße Fett war ziemlich heiß und hat teilweise auch seinen Aggregatzustand infolge der großen Hitzezufuhr von flüssig in gasförmig geändert. Dies nun rief meinen Feuermelder auf den Plan, welcher irgendwann ganz plötzlich einen infernalischen Lärm ertönen ließ. Der Krawall ließ sich nur durch das Entfernen des Feuermelders von der Wand und das Rausnehmen der Batterie abstellen.
Die Konversation beim Essen verlief dann eher schleppend. Durch die Blutströme aus den Gehörgängen drang kein Laut mehr bis an Hammer oder Amboss vor.
Ich werde den Feuermelder dennoch wieder anbringen.
Wenn ich wieder hören kann.
Und ich den Mut aufbringe.
Vielleicht.

Krude

Gerade habe ich mit meiner Schwester über blödsinnige Theorien gesprochen, die man so in seiner Kindheit entwickelt. Dabei kamen Erinnerungen hoch:
Seinerzeit habe ich meine Kleine Schwester einmal in Angst und Schrecken versetzt, indem ich ihr mit meinem universellen Halbwissen und meiner wirren kindlichen Gedankenwelt wissenschaftlich fundierte Zusammenhänge zwischen der Anziehungsraft von Himmelskörpern in Abhängigkeit zu deren Größe sowie der zu erwartenden Masseentwicklung der Erde hinsichtlich Verwesungsprozessen darlegte:
Vom Hörensagen wusste ich, dass Menschen, Tiere und Pflanzen, wenn verstorben, zu Erde werden. Genauso wie Kompost. Anhand des Komposthaufens im Garten meiner Eltern konnte ich das auch sehen: Kartoffelschalen, Kaffeefilter, Eierschalen, Rasenschnitt und allerlei anderes Zeug wurden da hingeschmissen und wie von Geisterhand konnte mein Vater dann irgendwann fertigen Kompostboden da hervorzaubern.
Weiter darüber nachdenkend stellte ich fest, dass ich in meiner Eigenschaft als junger Mensch wachsen und somit mehr Masse bis zu meinem Tode anhäufen würde. Und dies täte nicht nur ich, das täten alle Menschen, alle Tiere, alle Bäume und so weiter und so fort. Logischer Schluss aus dieser Tatsache ist ja ganz glasklar, dass die Erde somit wächst wenn ich und alle anderen zu Erde werden und das in einem Fort so weiter zu gehen pflegt. Mit dem Wachstum der Erde steigt dann aber auch deren Anziehungskraft.
Man hatte mit erklärt, dass die Anziehungskraft des Planeten Jupiter so dermaßen stark sei, dass ich, beträte ich diesen Planeten, umgehend flachgepresst werden würde durch mein eigenes Gewicht. Diese Gefahr sah ich nun also in der Zukunft auf jeden Organismus des Planeten Erde zukommen. Nun kam noch die schreckliche Vokabel „Überbevölkerung“ und „Bevölkerungszuwachs“ aus den Nachrichten dazu und mir schien, die Gefahr sei nun schon ziemlich nah. Diese Gedankenspiele teilte ich nun mit meiner kleinen Schwester, und die scheint den ganzen Quark bis heute in ihrem Kopfe bewahrt zu haben. Als diffuse Angst im Hintergrund.
Ich glaube, sie wird nicht jede Nacht von Albdrücken geplagt, welche sie wegen dieser Angst schweißgebadet und schreiend aufschrecken lassen.
Dennoch habe ich ein leicht schlechtes Gewissen.

Wirkung

Wir haben eine feine kleine Sprache. Diese hat auch noch eine kleine Feinheit in sich, welche Vorsilbe heißt. Zwei davon sollen nun einer kleinen feinen Betrachtung unterworfen werden, und zwar zwei einander sehr ähnliche Vorsilben: Ver und Zer.

Meine beiden Vorsilben kann man vor verschiedene Verben setzen. Man kann hierdurch Adverbien erzeugen, welche einen unterschiedlichen Grad dessen beschreiben, was sie meinen. Klingt wirr, ist es auch. Kommen wir doch zur Verdeutlichung dessen, was ich meine, einfach zu ein paar Beispielen:

Man kann sagen: „Der sieht aber ziemlich verlebt aus.“ Das ist sicherlich nicht unbedingt schmeichelhaft, aber auch nicht unbedingt schlimm, zeugt doch eine gewisse Verlebtheit mitunter von einem ausgefüllten Leben. Mit 15 sollte man vielleicht noch nicht verlebt aussehen, mit 50 hingegen ist es durchaus in Ordnung. Sagt man aber: „Der sieht ziemlich zerlebt aus“, dann sieht die Sache schon wieder ganz anders aus. Zerlebtheit zeugt von einem üblen Leben, dass einem nichts geschenkt hat. Dieses Beispiel ist noch etwas vage. Deutlicher wird es beim Nächsten:

Verstört. Verstörung ist ein Zustand, der eintritt, wenn man etwas nicht begreift, begreifen will oder begreifen kann. Die Umstände hierfür sind meist ziemlich unerfreulich, aber es ist alles reversibel. Verstörtheit kann aufgeräumt werden. Ist man aber zerstört, so ist dieser Zustand endgültig, Zerstörung bedeutet, dass etwas nachhaltig kaputt ist. Und hiermit meine ich nicht das Gefühl der inneren Verwüstung, welche einen nach einer durchzechten Nacht heimsucht. Das geht nämlich meistens wieder weg. Zerstörtes ist unwiederbringlich futsch. Verstörte können anschließend noch zusätzlich zerstört werden. Zerstörung ist praktisch die Perfektionierung von Verstörung.

Genauso verhält es sich mit verfallen und zerfallen. Ein verfallenes Gebäude ist renovierbar, überschreitet es die Grenze der Renovierbarkeit, so spricht man nicht mehr von verfallen sondern von zerfallen. Zerfallen beschreibt auch hier das Endgültige.

Letztes Beispiel: Wenn ein junger aufstrebender Mafioso der neugierigen Polente einen Tipp zuviel gibt, so hat er zunächst sein Leben verwirkt und wird anschließend von den übrigen Familienmitgliedern zerwirkt. Verwirken kennt man. Man hat es versaut, des Lebens Ende rückt in sichtbare Nähe, man lebt aber noch. Zerwirken ist das, was geschieht, wenn man bereits den Jordan passiert hat oder über denselben geschickt worden ist. Zerwirken ist Waidmannssprache und beschreibt das, was man mit erlegtem Wild macht: Man bricht es auf und zerlegt es.

Es ist ein einziger Buchstabe, der hier eine deutliche Endgültigkeit beschreibt. Und das ist bemerkenswert.