Unmenschlich

Man fragt sich schon, warum man die vergleichsweise ungefährliche Balkanroute verrammeln muss. Ist dann doch irgendwie zu anstrengend, wenn die Flüchtlinge tatsächlich ankommen, wie? Lieber wieder den todbringenden Weg übers Mittelmeer als einzigen Weg übrig lassen? Damit die Schleuser gutes Geld nehmen können, dieses hoffentlich in deutsche und europäische Güter, am liebsten Waffen, investieren und die geprellten Flüchtlinge im Meer untergehen und bloß nicht hier ankommen?
Wie unwürdig kann man sich denn als Träger des Friedensnobelpreises noch gebärden? Doch wohl nur noch, indem man direkt auf die Hilfesuchenden schießt.

Schäm Dich, EU!

Der Spatz in der Hand…

Weil ich mich so sorgfältig der morbiden Zurschaustellung grässlich verstorbener Lebewesen widme könnte hier der Eindruck entstehen, dass ich ein gar scheußlicher Zeitgenosse bin. Doch ist dem keineswegs so.
Vielmehr bin ich einem Lämmlein gleich ein sanftmütiger Gesell. Unlängst habe ich auch wieder einem Vögelein das Leben gerettet, welches sich in den mit großen Panoramafenstern ausgestatteten Schankraum einer Konsumwirtschaft verirrt hatte und dort panisch ein ums andere Mal gegen die Scheiben donnerte. Ich trieb es in die Enge und fing es ein, sodann verbrachte ich es in meinen Händen auf eine in der Nähe befindliche Weide außerhalb der Reichweite der ortsansässigen Katzen, öffnete meine Pranke und nahm frohlockend wahr, wie der kleine Spatz ohne Glas im Wege beherzt davon flog.
Ein paar Jahre bereits ist es her, dass ich einem etwas größeren Vogel, es handelte sich um eine junge Nebelkrähe, das Leben rettete. Dieser Vogel war wohl gerade fast flügge und hatte sich etwas überschätzt. Entsprechend saß er leicht verwirrt auf der Straße herum und wartete dort unsicher umherblickend auf den sicheren Tod durch Zermanschtwerden. Ich stoppte mein Gefährt und näherte mich dem Vogel. Mein Tun blieb nicht unbeobachtet, die Altkrähen schimpften und zeterten, auch wurde ich von ihnen angeflogen. Leib und Leben aufs Spiel setzend packte ich den Jungvogel und trug ihn, während ich ihn als lebenden Schutzschild über meinen Kopf hob um mich der Schnabelhiebe der Altvögel zu erwehren, von der Straße und setzte ihn in der Nähe auf ein Gartenhausdach, dann entfloh ich der flatternden Gefahr.
Wie gesagt, Sanftmütigkeit ist es meist, was mein morbide Anblicke liebendes Wesen seltsamerweise ausmacht.
Mit der Fotografie eines überflüssigerweise überfahrenen Tieres gebe ich seinem Tode noch ein wenig Sinn, wenn es schon nicht gegessen wird. Und mitunter hat der garstige Tod auf der Straße wenigstens noch einen ästhetischen Wert.
Manchmal.

Am Boden zerstört

Seit dieser Begebenheit sind schon ein paar Jahre ins Land gegangen, doch fühl ich mich im Moment doch dazu bemüßigt, davon zu berichten:
Es war einmal ein Garten. Dieser befand sich in Berlin Zehlendorf, unweit der Rehwiese nahe dem Bahnhof Nikolassee. Dieser Garten war meiner und meiner Mitstreiter Obhut anvertraut, wir hübschten ihn an etlichen Stellen auf, räumten Wildwuchs ab, schnitten den Rasen, stutzten die Sträucher und taten im Allgemeinen das, was man als Gärtner in einem Garten so macht.
Grünabfälle, sofern nicht zu klobig, wurden auf einem eigens hierfür errichteten Komposthaufen der Wiederverwertung zugeführt. Dieser Komposthaufen befand sich inmitten eines kleinen Eibengebüschs, auf diese Weise den Blicken der Gartenbesitzer verborgen. Alljährlich zwei Mal wurde der Komposthaufen umgesetzt und gesiebt, im Frühjahr und im Herbst.
Als wir uns eines Tages im Frühjahr einmal wieder an dem Komposthaufen zu schaffen machten entsprang der Leibhaftige lärmend dem Eibengesträuch und griff mich frontal an, wild fuchtelnd mit schwarzem Leib und gelben Augen! Der Spuk war schnell wieder vorbei, nur um sodann kurz darauf von Neuem zu beginnen! Erschrocken floh ich vom Kompost fort auf die rettende Rasenfläche.
Als der erste Schreck sich gelegt hatte und mein Pulsschlag sich beruhigte wurde mir klar, was da für ein Derwisch mir an die Brust geschlagen hatte: Ein Amselmann hatte beherzt sein Nest verteidigt und mich erfolgreich in die Flucht geschlagen. Mit voller Wucht war er gegen meine Brust geflogen, wild mit den Flügeln schlagend und so eine größere Gestalt vorgaukelnd als er eigentlich besaß. Ich hatte Glück, dass sein Schnabel sich nicht in mein Brustbein gerammt hatte, so kräftig griff mich das irrsinnige Vieh an!
An dieser Stelle war die Verteidigung des Nistplatzes von Erfolg gekrönt, ich näherte mich dem Kompost in der nächsten Zeit zwar trotzdem, doch mit größter Vorsicht, um die Amselbrut nicht zu stören. Des Amselmannes Beherztheit war beeindruckend.
Manchmal jedoch ist diese Beherztheit eher kontraproduktiv, so zum Beispiel, wenn ein Amselmann in Rage ein Auto anzugreifen sucht. Diesem kleinen Amselmann hier ist entweder dies, oder aber ein Tiefflugmanöver ohne den rettenden Rechts-Links-Blick zum Verhängnis geworden.
Hoffentlich kann die dazugehörige Amselfrau ihre Nachkommen auch als Alleinerziehende durchbringen, auf dass auch in Zukunft mittelgroße schwarze Vögel für den einen oder anderen Adrenalinstoß zur Verfügung stehen.
Ruhe sanft, kleiner Amselmann.

Gnatz

Derzeit verheert Gram mein Innenleben. Ich gräme mich gerade über unsere Berliner Amtsführungsgepflogenheiten und über meine Bürgerpflicht mich ausweisen zu können.
Es ist schon eine Frechheit, dass ich ständig Ausweisdokumente mitzuführen habe. Ein Ausweis ist zwar sehr klein und sehr leicht, doch habe ich in der Schule einmal gelernt, dass Arbeit gleich Kraft mal Weg ist. Auch ein sehr kleines Ausweisdokument zu bewegen erfordert ein kleines Quäntchen Kraft. Angesichts der Tatsache, dass ich ständig große Strecken zurücklege, ich diese kleine Kraft entsprechend mit einem großen Weg zu multiplizieren habe, verrichte ich gezwungenermaßen Arbeit. Diese wird mir nicht bezahlt. Gemäß unserer Verfassung ist dies illegal, weil die Sklaverei verboten ist. Es wird aber noch schlimmer, ich muss für mein Arbeitsgerät, also den Ausweis auch noch Geld bezahlen! Eigentlich sollte man das Bundesverfassungsgericht, eventuell gar den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen um überprüfen zu lassen ob das Ganze zulässig ist!
Mit diesen menschenverachtenden Dingen habe ich mich aber eigentlich schon fast abgefunden. Wegen Gewohnheit. Woran ich mich aber noch nicht gewöhnt habe und was ich die allergrößte Frechheit finde ist, dass ich neuerdings auch noch einen Onlinetermin vereinbaren muss, um meiner ungeliebten Bürgersklavenpflicht nachzukommen und dies aber schlicht unmöglich ist. Fragt man bei den Berliner Bürgerämtern online nach einem Termin, so bekommt man Monatsübersichten, auf denen Tage mit noch freien Terminen grün unterlegt sind, Tage mit vollem Terminplan rot und Tage, an denen vermutlich eine Arbeit mit den Bürgern nicht vorgesehen ist, sind farblos. Die Monatübersichten sind allesamt farblos mit ca. 20% rot. Grün kommt nicht vor. Nur in der Legende. Es gibt wahrscheinlich auch Legenden, in denen der Held es vermochte, einen Bürgeramtstermin zu ergattern.
Jetzt ist auch noch etwas passiert, was mich zum unverzüglichen Handeln zwingt. Mein Sprössling hat seinen Ausweis verloren. Das Internet verriet mir, dass wir nun verpflichtet sind, den Verlust unverzüglich der ausstellenden Ausweisbehörde anzuzeigen. Eine Verlust- oder Diebstahlanzeige bei der Polizei gilt nicht. Eine Telefonnummer gibt es nicht. Eine E-Mailadresse gibt es nicht. Wohl aber die Möglichkeit, einen Termin zu vereinbaren. Dies konfrontiert einen dann mit dem oben beschriebenen Problem. Ein möglicherweise in vierzehneinhalb Monaten zu bekommender Termin jedoch scheint mir eher schwer vereinbar mit dem Wort „unverzüglich“, selbst bei einer großzügigen Auslegung.
Wir können uns glücklich schätzen, dass vor 25 Jahren die Wiedervereinigung stattgefunden hat, denn mit dieser endete die Besatzungszeit. Bis zum 3.10.1990 hatten nämlich die amerikanischen Besatzer das theoretische Recht, einen jeden Bürger, der sich nicht ausweisen konnte standrechtlich zu erschießen. Die Bundespolizei darf das gottlob nicht. Wenigstens müssen wir also nicht um unser Leben fürchten.
Lediglich Auslandsreisen werden künftig wieder schwieriger. Wir müssen zwar kein Ausreisevisum beantragen, aber doch immerhin Ausweispapiere.
Hilfe.

Gestank

Auch heute wieder ist mir Grauenhaftes widerfahren.

Nichtsahnend ging ich durch ein größeres Einkaufszentrum in der Peripherie meiner Stadt. Ich hatte gerade jeweils ein Dutzend Weihnachtssterne und ein Dutzend Holzkisten gekauft als Weihnachtsgruß an ein Dutzend Mitarbeiter, diese Güter wollten unbeschadet zum motorisierten Transportmittel bugsiert werden. Plötzlich fischte mich mit ihren Fangarmen eine Kreatur aus dem träge dahinfließenden Strom der Einkaufenden, einer Koralle am Riff gleich, so wie man es auch aus Touristenorten kennt, wo vor jedem Restaurant ein Fänger postiert ist, der die potentiellen Gäste mit seinen Lügenmärchen über gutes Essen in gebrochenem Englisch abgreift.

Die Gruselgestalt, die mich plötzlich in ihren Fängen hatte, wollte mir allerdings gar nichts zu Essen verhökern. Sie wiegte mich auch zunächst in trügerischer Sicherheit, indem sie mich fragte, wo ich denn die schönen Weihnachtssterne her hätte. Ich gab ihr brav Auskunft und wollte mich gerade wieder trollen, da ging das Verkaufsgespräch auch schon los. Ob ich denn nicht noch Geschenke bräuchte, sie hätte da ja etc. Erst da wurde mir die Gefahr bewusst. Und zu allem Überfluss handelte es sich auch noch um einen Stand mit Kosmetikartikeln. Mir schwante bereits Böses.

Die Dame hatte ratz fatz meine Handgelenke mit Duftpröbchen eingesprüht, einer für die Dame und einer für den Herren, und mir eine komische Creme auf den Handrücken geschmiert. Dabei handelte es sich um parfümierte Rasierschmiere, ich wisse ja Bescheid. Ich entgegnete, dass ich, wie unschwer an meinem polychromen Fusselbart zu erkennen sei, nicht so genau Bescheid wisse. Sie erwiderte, man könne sich dieses Zeug auch super in den Bart schmieren, weil riecht toll und störrische Bartborsten würden davon flauschig weich.

Nachdem ich also informiert wurde, um was für blödsinniges Zeug es sich handelte wollte sie mir einen ganzen Haufen von dem Mist zu einem Sonderpreis überlassen, keine Ahnung wie ihr Chef denn das bezahle, aber das habe ja mich nicht usw. usf…..

Unter fadenscheinigen höflichen Floskeln ließ ich das Geschäft lieber nicht zustande kommen und machte mich mit dem festen Vorsatz vom Acker, diese Gegend der Stadt wegen des großen Gefahrenpotentials künftig weiträumig zu umfahren. Allerdings war es ja schon viel zu spät. Im Auto merkte ich erst wie schlimm diese unheimliche Begegnung mich getroffen hatte. Meine Handgelenke stinken zum Gotterbarmen! Jetzt habe ich mir die Handgelenke bereits zweimal ausgiebig gewaschen und insbesondere der Omageruch vom rechten Handgelenk geht nicht ab! Ich habe schon den Gedanken gewälzt, mir eine aufgeschnittene Zwiebel ans Handgelenk zu binden. Zwiebeln sollen ja in der Lage sein, die schlimmsten Gifte zu neutralisieren. Zumindest Wespenstiche u.ä. Ich glaube, das mache ich. Ansonsten werde ich den heutigen Tag sicherlich nur noch mittels Vollrausch überstehen können.

Ich habe Angst, der Gestank könnte ewig an mir haften bleiben.

Hilfe.