Total vernetzt

Mein Haustier trägt keinen Namen. Es ist kein Fisch, kein Hamster und auch kein Kätzchen, nicht mal ein Schwein.

Es ist von ganz allein in meinem Haushalt aufgetaucht und lebt still vor sich hin. Es ist haarig, jedoch nicht flauschig. Auch kann man ihm nicht direkt Niedlichkeit attestieren.

Ich füttere es nie. Doch höre ich darob niemals einen Klagelaut.

Es ist ein friedliches und nützliches Haustier.

Es lebt am Fenster in unserer Wäschekammer. Am Oberlicht. Seine Behausung hat es sich selbst gebastelt.

Es handelt sich um ein mittlerweile recht stattliches Exemplar einer Kreuzspinne. Sie residiert bei uns schon seit längerer Zeit und sie verhindert das nervige Herumgesumme lästiger Insekten, indem es diese in seinem formschönen Netz einfängt und sodann tötet und verspeist. Aufgrund dieser Eigenschaft wird die Spinne auch geduldet.

Zum Zeitpunkt ihres Einzuges hatten wir gerade ein kleines Problem in der der Wäschekammer nächstgelegenen Küche. Dort trieben Lebensmittelmotten ihr Unwesen und wir hofften bis zum Entdecken ihres Ursprungs die Population mithilfe unseres neuen Haustieres kontrollieren zu können. Nachdem wir die Motten in unserer Wohnung erfolgreich wieder ausgerottet hatten bangte ich kurzzeitig um die Spinne, war doch eine wichtige Nahrungsquelle derselben versiegt. Doch die Spinne blieb hiervon unbeeindruckt. Offenkundig kommen genügend andere Insekten von draußen herein, auch schweben gelegentlich mal ein paar Fruchtfliegen durch unsere heiligen Hallen und bieten sich als Nährstofflieferant an.

Zumeist saß unsere Spinne einfach nur da, inmitten ihres Netzes und tat nichts. Entsprechend wurde sie auch ohne die verflixten Motten weiterhin akzeptiert, jedoch nicht von allen geliebt. Mitunter glaubten wir sogar, sie sei bereits tot und hinge nur noch aus alter Gewohnheit oben im Netz. Seit ein paar Tagen jedoch ist ein gesteigertes Aktivitätsniveau zu beobachten, sie hampelt wild herum und tollt lustig durch ihre Behausung, sehr zum Missfallen meiner Frau. Sie hofft, die Spinne würde noch einmal jugendlich tun, um sodann plötzlich an altersbedingtem Multiorganversagen zu versterben. Auch erwog sie bereits einen hinterhältigen Giftmord. Dieser diabolische Plan wurde jedoch  glücklicherweise in Ermangelung giftiger Kleinstinsekten, welche wir der Spinne verfüttern könnten, wieder verworfen.

Ich verteidige unseren achtbeinigen und vieläugigen Freund immerzu. Sein Leben ist mir lieb und teuer, ich mag die filigranen Formen seines Gespinstes, bewundere die Anmut seiner Zeichnung und freue mich über seine für mich sehr nützliche Art der Ernährung. Auch ist er sehr pflegeleicht, kümmert sich um alles selbst und lärmt nicht herum. Lediglich die Tatsache, dass die Spinne nicht stubenrein ist nervt leicht, sie kackt immer auf die Fensterbank.

Aber das lässt sich leicht wegmachen, und stinken tut es auch nicht.

Alles in allem kann ich nur jedem raten, sich in einer abgelegenen Ecke der Wohnung eine Kreuzspinne zu halten. Ihr Nutzen überwiegt die von ihr ausgehende Gefahr bei weitem. Auch ist die Gefahr, dass die Spinne durch die Wohnung trabt, um garstige Gespinstnester in den Körperhöhlungen der schlafenden Bewohner anzulegen gegen Null tendierend, eine Kreuzspinne ist stinkefaul und ein eingefleischter Stubenhocker. Sie verlässt ihr Nest praktisch nie. Bei unserer Spinne zumindest habe ich ein solches Verhalten bislang noch nicht beobachten können, sie hockt, wie bereits erwähnt, zuverlässig im Netz und lässt sich das Essen kommen, zwischendurch werden kleinere Reparaturmaßnahmen an der eigenen Immobilie vorgenommen, und selbst hierfür ist ein Verlassen des Netzes nicht vonnöten, dieweil alle Baustoffe körpereigen hergestellt werden.

Sollte dereinst einmal meine Spinne doch einen terroristischen Anschlag auf mein Leben verüben wollen, ich bin und bleibe unbesorgt. Ich habe einmal in einem Dokumentationsfilm gesehen, dass von Spinnen gebissenen Menschen plötzlich die Sinne geschärft, ihnen Superkräfte zuteil und ihre körperliche Anmut gesteigert werden.

Ich muss kurz nachdenken, wie hieß der noch?

Ach ja, Spiderman.

 

Gelenkig

Es geschehen noch Zeichen und Wunder!

Weil ein neues Jahr begonnen hat, gab ich mir selbst das Versprechen, meinem Leibeswohl ein wenig auf die Sprünge zu helfen mittels Bewegung. Heißt: Angesichts der Tatsache, dass ich ja aufgrund meiner Lohnerwerbsbiographie nicht mehr arbeitend auf dem Bau Sport treibe, möchte ich dies jetzt in meiner Freizeit ein wenig häufiger tun, um dem Zuwachs an Körpervolumen entgegenzuwirken.

Nicht geneigt bin ich, der Industrie der Fitnessstudios ins Netz zu gehen. Auch werde ich mich nicht an Yoga versuchen, das erscheint mir mit dem hippieartigen Glaubenshintergrund und dem Gesinge auch nicht meins zu sein, wobei ich das nicht ehrlich sagen kann, ich habe mich noch nicht intensiv damit befasst. Aus einem Fitnessstudio entsetzt rausrennen wegen Ätzaerobicmusik und widerlichen Muskelpumpern mit Deutschlandtattoos, das widerum hatte ich schon. Kann man aber vermutlich auch nicht verallgemeinern.

Meine körperliche Ertüchtigung betreibe ich jedenfalls lieber allein, ganz ohne Publikum. Da mache ich dann irgendwelche dusseligen Übungen, die man nicht unbedingt beäugen muss, wenn sie so unbeholfen durchgeführt werden wie ich das zu tun pflege.

Vorhin habe ich aber feststellen müssen, dass mein Leib nun, nach 1,5 Wochen Leibesertüchtigung, mittlerweile biegsamer ist als zu Zeiten meiner Volljährigkeit! Dies vermag ich so genau zu sagen, weil ich mich an meine Musterung erinnere. Dort verlangten die Herren Musterungsschergen nämlich nicht nur, das Skrotum zu betatschen, nein,  sie wollten noch allerhand andere unwürdige Sachen. Zum Beispiel verlangten sie von mir, mit durchgedrückten Knien stehend eine Zusammenführung von Zehen- und Fingerspitzen. Konnte ich nicht. Ich bin mit den Fingerspitzen etwa auf Kniehöhe verreckt. Hat mir aber keiner geglaubt, weshalb ich das noch ein paar Male zu wiederholen hatte, während mir ein Feldmediziner das Rückgrat abtastete und nuschelnd Kryptisches in Richtung Protokollant murmelte.  Ich glaubte ein oder zwei Mal das Wort „Buckel“ zu vernehmen. Schlussendlich stellten die Leute fest, dass ich aufgrund meiner körperlichen Unbeholfenheit nicht als Kanonenfutter (Pionier) einsetzbar sei und man musterte mich auf Tauglichkeitsstufe 2.

Dabei hätte ich mich an diesem Tage auch ohne weiteres ausmustern lassen können, wegen akuter Taubheit. Aber da war ich nicht geistesgegenwärtig genug für. Beim Hörtest nämlich habe ich zeitweise total versagt. Und das obschon ich hören kann wie ein Luchs. Kurz vor der Musterung hatte ich schon einmal einen Hörtest absolviert, bei dem man sagen sollte, wann denn das piepende Geräusch im Kopfhörer erklänge und auf welcher Seite des Kopfes. Gleiches erwartete ich bei der Musterung auch. Ich setzte mir entsprechend die Kopfhörer auf und lauschte gespannt, doch erklang keinerlei Piepton. Vielmehr störte mich ein offenbar großes und schweres Militärfahrzeug auf dem Außengelände des Kreiswehrersatzamtes in meiner Konzentration, indem es da laut herumbrummte. Die Mustermänner beäugten mich zunehmend argwöhnisch, mir trat der Schweiß auf die Stirn, doch hörte ich kein Piepen sondern nur dieses bekackte, immer lauter werdende Scheißpanzerfahrzeug, zunehmend tat mir das Gebrumme in den Ohren weh! Und dann….BATZ!- fiel es mir wie Brocken aus der Nase: Das Panzerfahrzeug existierte gar nicht, der Brummton sollte erkannt werden, daher schauten die mich alle so entsetzt an. Mensch, da soll mal einer drauf kommen. Haben sich vermutlich schon gefragt, wie ich denn überhaupt die Anweisungen zum Betreten des Raumes habe verstehen können.

Blöd wie ich nunmal war habe ich natürlich das Missverständnis aufgeklärt und mich nicht auf Taubheit herausgeredet. Nichtmal eine saftige Klage wegen Körperverletzung für den beinahe entstandenen Tinnitus habe ich der Bundeswehr angeboten.

Aber jetzt bin ich irgendwie abgeschweift. Ich wollte doch eigentlich nur kundtun, dass ich unlängst beinahe vor Schreck verstorben wäre, weil ich plötzlich erstmals in meinem Leben bei ausgestreckten Beinen mit den Fingerspitzen meine Zehen berühren konnte. Und das nicht weil man mir die Füße amputiert hätte.

Ist es nicht schön? Einem jungen Rehlein gleich vermag ich meinen Körper zu verbiegen.

Hach….

Aua

 

 

Geräusch

Irgendetwas ganz, ganz Schlimmes ist geschehen, irgendwann innert der letzten Nacht. Ein Kobold hat mich wahrscheinlich heimgesucht, vorstellbar wäre aber auch allerlei andere Spukerei, welche Schabernack zu treiben beinhaltet. Denn stellt Euch vor: Mein Mobiltelefon läutet seit heute früh in einer mir bis dato unbekannten Art und Weise, so dass ich immer, wenn jemand meiner Stimme glockenhellen Wohlklang zu vernehmen wünscht, ich nicht wie sonst gewohnt lässig nach dem Telefone greife, nein, erschrocken, verwirrt und fahrig neige ich dazu den Anrufer versehentlich wegzudrücken.
Vielleicht sollte ich in der mannigfaltigen Geräuschbibliothek, welche im Innern des Wunderapparates schlummert, wieder nach dem gewohnten Laut stöbern, auf dass es wieder werde wie früher.
Denn merke:
Früher war alles besser…

Psst

Gestern war ich mal wieder mit meiner Sippe auswärts unterwegs. Und zwar in einem Thermalbad. Thermalbäder sind ja so Wellness-Tempel-Dinger, wo man gefälligst ruhig zu sein hat und wo man, insbesondere als Kind, sich zu verhalten hat wie man sich natürlicherweise nicht verhält.
Als wir unseren, zugegeben sehr erholsamen Aufenthalt dortselbst nun beinahe beendet hatten geschah dann das Folgende: Eine junge Dame, entgegen der üblichen in diesem Etablissement vorherrschenden Kleiderordnung keineswegs in Badekluft gewandet, schleppte eine mittelgroße Kompaktanlage (vergl. Brüllwürfel) an den Rand des einen Wasserbeckens. Anschließend schaltete sie das Gerät ein, und eine Wand aus unerträglicher Fitness-Höllen-Musik erschütterte meinen gerade völlig entspannten Leib, der Schreck fuhr mir in alle Glieder, die Erholung war wieder weg!
Ich möchte an dieser Stelle einmal anführen, dass ich der Meinung bin, dass in Badeanstalten, in denen man laute, billige Synthesizer-Musik einsetzt um fitnessbedürftige Menschen zum im Wasser herumhampeln anzuregen, das durch lautes Johlen begleitete Springen vom Beckenrand ausdrücklich erlaubt werden muss. Wenn einer lärmt, dann darf das der andere auch.
So geht Generationengerechtigkeit.