In die Nesseln

Heute habe ich Hollunderblüten gesammelt. Für Sirup.
Hierfür musste ich in der Pampa ein paar Hollundersträucher direkt aufsuchen. Die von mir zur Ernte auserkorenen Büsche jedoch standen leider an einem Feldrain, welcher dicht mit Brennnesseln (geilomat: drei N!) bestanden war. Und ich trug eine kurze Hose!
Schlimm?
Nein.
Angstlos schritt ich in die Nesseln. Warum ich dies tat? Verrate ich jetzt:
Ein paar Jahre ist es her, da hatte ich einmal den Auftrag einen Obstgarten durchzupflegen, welcher seit Jahren vor sich hin verwilderte. Mit meinem Passmann gemeinsam kam ich dort an, es war Frühsommer, und wir hatten ob der herrschenden Außentemperaturen kurze Hosen an. Unter den Bäumen jedoch war alles voller Brennnesseln. Vorsichtig bahnten wir uns den Weg durch die Pflanzen, immer behutsam die Schuhsohlen voraus die Halme abknickend, in der trügerischen Hoffnung, die Nesselzellen mögen die Haut verfehlen. Nach wenigen Metern allerdings war dann auch schon alles egal. So wie wenn man plötzlich in einen Starkregenguss gerät und binnen zehn Sekunden ist man bis auf die Knochen durchnässt. Alle Menschen, denen man dann begegnet und die auch bis auf die Haut nass sind, sind dann total locker, lächeln und blicken freundlich drein.
So ähnlich ist es auch, wenn man kurzbehost durch ein Brennnesselfeld latscht. Tut erstmal weh, dann, wenn alles egal ist, kribbelt es nur noch und nach einer Viertelstunde oder so fühlt sich das Bein dann ganz angenehm warm an. Gut für gute Laune.
Heute hat es nur ganz leicht wehgetan. Kein Kribbeln, keine Wärme. Dafür war ich zu kurz drin. Vor ein paar Wochen habe ich es einmal etwas intensiver versucht, aber über die Viertelstunde habe ich es auch nicht gezogen, auch hier stellte die Wärme sich nicht ein und es hat nicht gekribbelt, sondern leicht gejuckt, war also nicht ganz so nett.
Wenn es nicht jedes Mal auf’s Neue so viel Überwindung kosten würde, ich würde es eventuell häufiger mal machen. Soll ja auch gut sein gegen Rheuma. Vorbeugend. Angeblich. Einfach mal ausprobieren!

Die Brennnessel ist insgesamt eine stark unterschätzte Pflanze, für die ich an dieser Stelle einfach auch mal ganz allgemein eine Lanze brechen möchte: Sie ist eine wichtige Futterpflanze für viele Schmetterlingsraupen, entsprechend sollten Schmetterlingsfreunde auch der Brennnessel huldigen. Aus der Brennnessel kann man spitzenmäßig gesunden Tee kochen, man kann aus ihr auch einen Brennnesselsud zaubern mit dem sich Blattläuse vertreiben lassen oder den man ungeliebten Menschen als Napf unter die Bettstatt stellen kann (stinkt infernalisch), und als letzten Punkt möchte ich noch anfügen, dass die Brennnessel eine, wenn man mal genau hinsieht, ganz zauberhaft schöne Pflanze ist.
Fort mit den Vorurteilen!
Springt nackig in die Nesseln!

Revolution

Der Frühling hält mit Schmackes Einzug, allerorten platzen die Knospen, allerlei Botanik blüht bereits und allesamt brüllen die Gefiederten ihren Balzgesang in unsere Gehörgänge.
Doch nicht nur außerhalb der Betonburgen, die wir unser Eigen nennen, tut sich was, nein, die unbeugsame Natur nutzt jede unserer Schwächen gnadenlos aus und vermag an den abenteuerlichsten Orten seine zweikeimblättrigen Späher auszusenden, wie hier in meiner letztens besuchten Ferienwohnung.
„Wehret den Anfängen!“, so dachte ich nicht und beließ das zarte Pflänzlein, welches ich der immer wieder auf mich einprasselnden Indoktrination durch die Medienwelt wegen liebevoll Aufschwung nannte, an seinem Ort, mit der Hoffnung, ein starkes und widerstandsfähigen, ja eventuell gar wehrhaftes Geschöpf möge sich hier dauerhaft etablieren, indes die Wahrscheinlichkeit hierfür sehr gering war. Vermutlich tat die nach meiner Abreise eingetroffene Putzkolonne das was ich nicht vermochte und riss den Vorboten des Zivilisationsniedergangs mit Stumpf und Stiel aus dem nassforsch gewählten Lebensmittelpunkt.
Doch nehmt dies als Zeichen! Auch chromblitzende Küchen sind nicht unangreifbar durch Wildnis und Freiheit, Garten ist überall!
Und so soll es sein!

Blümerant

Heissa! Frühling! Warm. Ich habe jetzt den zweiten Tag in Folge meine olle speckige Joppe weggelassen und bin nicht den Kältetod gestorben. Jedoch fühle ich mich nicht so recht. Das liegt aber nicht am Weglassen der Jacke und einer infolgedessen mich tückisch heimsuchenden grippalen Infektion, vielmehr hängt das mit einem weiteren Phänomen der Frühlingszeit zusammen: Busch- und Baumsperma. Jetzt ist Pollen offen. Und zwar unterwegs. Massenhaft. Jawoll. Und ich reagiere mit Inbrunst auf den nützlichen Haselstrauch und die liebliche Birke und noch so manch weiteres an zarten Pflänzlein. Später dann sind die Gräser dran. Die begleiten mich dann bis zum Frost.

Warum können denn die nicht normal blühen, so wie die Tulpe, der Krokus und weiß der Teufel was sonst noch? Warum Wind wenn es doch auch Bienen gibt? Naja. Ist eigentlich leicht zu verstehen. Wenn die Biene ausstirbt gibt es trotzdem Wind. Entsprechend ist die Birke dem Krokus gegenüber klar im Vorteil.

Vielleicht sollte man anders fragen: Warum reagiere ich auf Pollen? Ich bin doch gar nicht angesprochen. In mir wächst keine Haselnuss. Auch Birkensamen hervorzubringen bin ich nicht imstande. Niese ich deshalb den ganzen Mist wieder aus, damit die Pollen weiterhin im Umlauf bleiben anstatt beim falschen Adressaten zu verkommen? Aber fliegen die nicht so vollgeschnoddert viel schlechter?

Was soll das? Wie man es dreht und wendet, eine Allergie ergibt überhaupt keinen Sinn! Sollte man vielleicht abschaffen. Wer ist dafür?