Struktur

Insgesamt bin ich ein Mensch, der sich oft verzettelt. Liegt, glaube ich, in meinen Genen. Zumindest höre ich auch gelegentlich von meiner illustren Geschwisterschar, dass man sich gelegentlich verzettelt.
Umso überraschender ist das Urteil, welches man heute über mich fällte: Strukturiertheit sei eine meiner Eigenschaften. Wusste ich noch gar nichts von. Ist aber schön, dass ich diese Außenwirkung zu erzielen imstande bin. Hoffentlich kann ich diesen Schein noch weiter wahren, denn das könnte meiner weiteren Karriere durchaus förderlich sein.
Noch besser sogar wäre es, ich würde mir wahrhaftig ein wenig Struktur zulegen und ein Quäntchen System in meine Arbeit bringen. Dann fühlte ich mich eventuell auch rechtmäßig gebauchpinselt.

Für die Ochsen

Was für die Gans St. Martin ist für den Flieder der Himmelfahrtstag, welcher gestern stattfand.
Zu St. Martin werden vielfach die berühmten Martinsgänse zubereitet und vertilgt. Zu Ostern sind es die Lämmer. Wobei in beiden Fällen das massenhafte Töten ein paar Tage früher stattfindet, damit die entsprechenden Kadaver am Feiertag lecker zubereitet auf dem Tisch zu stehen und die Tiere nicht mehr zu schnattern oder zu blöken haben. Der Flieder wird unfachmännisch am Himmelfahrtstag direkt zerrupft.
Aber gibt es als Mahlzeit auch einen Himmelfahrtsflieder? Nein. Altes Brauchtum verlangt es zu Himmelfahrt von vielen Männern, ihr Fahrrad aus dem Schuppen zu klauben, dies mit Fliederblüten zu bestücken und sodann alles daran zu setzen, sich unbeholfen auf dem geschmückten Fahrrad saufend durch die Lande zu bewegen. Sinn und Ziel dieses Brauches sind unbekannt. Und weil das unwürdige Treiben so gar unchristlich wirkt hat man dem Himmelfahrtstag bei diesem Tun auch den Namen Herrentag gegeben. Aber herrlich ist das auch nicht.
Menschen, die den Himmelfahrtstag nicht begehen, indem sie sich bis zur Besinnungslosigkeit besaufen, nennen ihn gerne Vatertag. In etwa zur gleichen Jahreszeit gibt es ja schließlich auch den Muttertag, da braucht der Mann ja sein Pendant! Aber wenn man sich noch nicht fortgepflanzt hat, dann will man ja trotzdem. Oder erst recht!
Dass der Muttertag ein ganz normaler Tag ist wie jeder andere auch, das ist hierbei unerheblich. Der Vater- bzw. Herrentag hat gefälligst frei zu sein. Und weil das nicht reicht braucht man einen Donnerstag, bei dem sich der darauffolgende Freitag natürlich vorzüglich als Brückentag eignet! Um den Kater über das Wochenende zu kurieren und seine Wunden zu lecken. Und wenn beides sich noch nicht eingestellt hat, dann hat ma ja noch ein langes Wochenende, um derlei herbeizuführen.
Alle Jahre wieder ist Christi Himmelfahrt ein unwürdiges Schauspiel, ein Schaulaufen der fliederschindenden Ochsen.
Aber wenigstens sind die Herren zumindest an diesem Tag fähig, einen Flieder zu erkennen. Verbuchen wir es also einmal unter Heimatkunde.

Contrazession

Jetzt, kurz bevor die Spinner in Scharen das Land in Angst und Schrecken versetzen, ganze Landstriche kahlfressen und Gespinstnester allerorten verteilen, auf dass sich allergische und asthmatische Krankheiten wie Lauffeuer verbreiten und die Angst vor dem Wald in der Bevölkerung wieder ungeahnte Ausmaße annimmt, blühen die Eichen lieblich vor sich hin und sehen aus, als wenn kein Wässerchen ihr Leben zu trüben imstande wäre. Das ist schön.
Nicht so schön ist der Inhalt der Jako-O Wald-Abenteuer-Lern-Software für Kinder ab 7. Was ein Kind nämlich daraus lernt ist, dass man Wälder eigentlich niederbrennen sollte weil da so schlimme Organismen drin sind.
Kinder lieben kleine Lernfilmchen. Die gibt es auch auf dieser Lern-CD. Und in diesen Filmchen lernt man vom schrecklichen Fuchsbandwurm, welcher die Eingeweide zerfrisst, wenn man nicht alles aus dem Wald zu einem formlosen Brei zerkocht, dass man unweigerlich von Zecken befallen wird, welche einen mit den grässlichen Krankheiten Borelliose und FSME ausstatten werden, und dass die Tollwut einen tödlich dahinrafft, sobald man im Wald auch nur daran denkt, dass es dort Tiere gibt.
Zecken habe ich auch schon massenhaft auf Wiesen und Feldern gesehen. Schnell entdeckt und beherzt entfernt richten sie auch keinen Schaden an. Sie sind lästig und doof, aber das sind Mücken auch und man fährt trotzdem an den See.
Tollwut ist insgesamt sehr selten geworden, Tollwutgebiete im Wald werden oft mit Warnschildern markiert, ansonsten gibt es tollwütige Tiere im Wald nicht häufiger als in der Stadt. Zu zutrauliche Tiere sollte man nicht unbedingt küssen oder ablecken. Macht aber auch eigentlich keiner. Sollte einem ein Kind dennoch erzählen, es habe gerade einen Waschbären gestreichelt, so wasche man seine Hände. Sodann suche man einen Arzt auf, um auf Nummer sicher zu gehen. Es ist aber insgesamt ausgesprochen unwahrscheinlich, dass den lieben lärmenden Kleinen üb erhaupt jemals ein Wildtier im Wald begegnet.
Dem Fuchsbandwurm sollte man insgesamt mit deutlich mehr Gelassenheit begegnen, wie ich finde. Mein alter Herr hat mir auch schon einmal mit deutlicher Nachhaltigkeit den Genuss von Blau-, Brom-, Him- und Walderdbeeren vergällt indem er mich auf den fiesen Fuchsbandwurm aufmerksam machte. Im Radio hat mir dann später aber einmal Christoph Drösser erzählt, dass das alles Quatsch ist und man getrost den Wald ablecken kann wenn einem danach ist, ohne dass einem dabei etwas passiert. Natürlich nicht wörtlich und nicht mir persönlich, aber ich habe mir das zu Herzen genommen und esse wieder Blaubeeren und Walderdbeeren und mein Leben ist wieder viel reicher geworden.
Und wenn man einmal daran denkt, wo der Fuchs überall herumschneftert, in der Stadt, auf dem Feld, auf Schulhöfen und vor allem sicherlich auch auf jedem Erdbeeerfeld: Werden deswegen sämtliche Erdbeeren dieser Welt bis zur Unkenntlichkeit zerkocht vor dem Verzehr?! Mitnichten!
Den Wald zu betreten ist Gebot für Kinder! Man darf ihnen nicht Angst einjagen vor dem Wald! Sie sollen nicht an allen Pflanzen knabbern weil davon einige giftig sein können, aber rennen Kinder wild äsend durch den Wald?
Nein.
Sie sollen nicht einfach alle Pilze fressen, derer sie gewahr werden, aber tun Kinder das?
Nein.
Sie sollen nicht jedes Tier streicheln und auf den Arm nehmen, aber lassen Tiere das mit sich machen?
Nein.
Eine gewisse Vorsicht gegenüber kuscheligen Prozessionspinnergespinstnestern gegenüber ist sicherlich richtig und wichtig, aber dort, wo der Spinner sein Unwesen treibt stehen gemeinhin Warnhinweise die man mit seinen Kindern besprechen kann. Genau wie bei der Tollwut.
Entsprechend mein Appell an alle: Geht mit Euren Kindern in den Wald und schickt sie los, denselben selbst zu erkunden. Wenn sie anschließend Kratzer an Armen und Beinen haben, Äste, Moos,Laub und Spinnweben im zerzausten Haar hängen und mannigfaltigster Dreck sich unter den Nägeln und an der Kleidung finden, wo auch Kletten und allerlei sonstige Pflanzenteile hängen, dann ist das ein Grund sie zu loben und nicht sie zu tadeln.
Merkt Euch das!

Weg gesägt

Die letzten beiden Tage war mein berufliches Umfeld vornehmlich mit den Hinterlassenschaften von Sturm Niklas beschäftigt. Es waren diverse Bäume wegzuräumen, teilweise komplett, teilweise nur teilweise.
Heute hatte ich das Vergnügen in Südberlin mithelfen zu dürfen einen stark sturmgeschädigten Baum zu entfernen. Es handelte sich um eine große Föhre, auch Sandkiefer genannt, das sind die großen Bäume mit den langen Nadeln, deren Stamm sich weiter oben rötlich zeigt, was insbesondere beim Sonnenuntergang ganz bezaubernd ist. Die meisten Menschen, die stolze Besitzer eines solchen Baumes sind, wünschen sich nichts sehnlicher, als dass dieser Baum den Baumjordan überqueren möge, nadelt ja die ganze Zeit, schmeißt Kienäppel in Massen ab und nervt mit den Wurzeln am Gehweg herum. Der Herr heute jedoch, dem wir seinen Baum nahmen, war in Trauer, obzwar er auf seinem kleinen Grundstück noch weitere große Kiefern sein Eigen nannte. In seinen Augen ist die allgemein um sich greifenede Der-Kack-Baum-nervt-und-muss-weg-Progrom-Haltung eine Schande, besonders in seinem Kiez. Sein kleines Grundstück mit dem kleinen Reihenendhaus nämlich steht in der Zehlendorfer Waldsiedlung, einer Siedlung, die, wie der Name schon sagt, in den Wald gebaut worden ist, und zwar mit einer Vielzahl an großen Bäumen, eben Föhren, die dort stehen blieben. Nach jedem Sturm kommen ein paar davon weg. Gelegentlich auch einfach mal so. Oder man sägt halt „aus Versehen“ wichtige Wurzeln an. Nachgepflanzt werden sie sehr selten. Entsprechend verliert die Siedlung aus den 20er Jahren zunehmend ihr Gesicht.
Und wenn man mal einen solchen Baum fällen muss, dann tut man das mit ziemlicher Sicherheit bei den letzten standhaften Menschen, die sich mit ihrem Grund und Boden auch beschäftigt haben und sich von vornherein im Klaren waren, dass sie keine Erdbeerfelder im Garten haben würden.
Tragisch.

Dem Sturme trotzend

Alles richtig gemacht hat meine Mutter. Und zwar indem sie mich gebar. Das liegt ja schonmal auf der Hand. Wer gegenteiliger Meinung ist, der möge bitteschön vornehm schweigen.
Eine kleine Kleinigkeit hat meine Mutter aber ganz besonders gut gemacht bei meiner Geburt, und zwar hat sie mich im Bundesland Niedersachsen zur Welt gebracht, was der Grund dafür sein dürfte, dass ich unbeschadet die letzten beiden Tage überstand, suchte doch der fiese Sturm Niklas uns heim und brachte Verwüstung allerorten, derweil standfest im Freien mich aufzuhalten ich imstande war kraft meines Heimatbundeslandes:
Wir sind die Niedersachsen, sturmfest und erdverwachsen!

(Aus dem Zusammenhang gerissen und hier verwurstet, entlehnt dem Niedersachsenlied)

Rache

Dereinst werden die Bäume die Herrschaft über die Welt wieder übernehmen. Selbst die weichesten unter ihnen, wie in diesem Fall die Pappel, beißen beherzt in Mauern und knabbern munter weiter, obgleich ihnen die Krone weggesägt wird.

Ach ja. Pappeln. Wie viel Leben steckt doch in denen.

Sägen wir sie ab, weil ihre Wurzeln den Straßenbelag anheben, so werden alle Wurzelteile wüst austreiben und schwuppdiwupp einen Wald auf der Straße entstehen lassen.

Unbeugsam machen sie das, was sie wollen. Und sterben erst nach einigem Widerstand.

Und bald ist es auch wieder soweit, bald werden wir alle wieder von der Pappel genervt werden, weil sie uns einen Winter vorgaukelt wo keiner mehr ist. Anfang Mai sind die Straßen wieder voll von schneeähnlichen Pappelflusen, sie kitzeln in der Nase und verstopfen unsere Luftfilter. Alle Jahre wieder.

Das ist die Rache der Pappel dafür, dass wir sie zu Papier zermanschen, zu Streichhölzern aufspalten und als Biogasrohmasse zu Energie umwandeln, mit welcher sie dann schlussendlich selbst ihre Nachkommen zu Zahnstochern machen.

Haps

Letztens irgendwann vermeldete die Zeitung, dass der gefährliche Widersacher von James Bond, allgemein unter dem Namen Beißer bekannt, verstorben sei. Oder wenigstens der Schauspieler. Stimmt aber gar nicht, weil habe ich getroffen! Es geht ihm gut, und, wie man seinem zufriedenen Gesichtsausdruck entnehmen kann, ist er allgemein guter Dinge.

Vermaledeite Lügenpresse™!

Ich wünsche Guten Appetit beim Beißen von Daniel Craig.

Knabber.

Puzzle

Vor ein paar Tagen habe ich eine frisch gefällte Robinie gefunden. Die Scheiben sahen aus wie Puzzleteile. Sehr hübsch, das. Als könnte man den toten Baum wieder zusammenbauen.

Hierbei musste ich an einen kleinen Film denken, den ich, ich war noch sehr sehr jung, im Fernsehen sah. Es war die Sendung mit der Maus, glaube ich, und da wurde das Fällen und Zerlegen eines Baumes gezeigt. Nachdem die Baumzerlegearbeiten vonstatten gegangen waren wurde der Baum wieder zusammengesetzt. Bis er wieder so dastand wie vorher. Jeder Schnitt wurde umgekehrt erneut durchgeführt und der Baum erwachte zu neuem Leben. Und ich war fest davon überzeugt, dass das wirklich geht! Ich glaubte, ich wäre Augenzeuge der Arbeit einer Dransäge geworden.

Es dauerte noch lange bis mir die manipulativen Fähigkeiten des Fernsehens bewusst wurden. Dass es überhaupt die Möglichkeit gibt, Dinge rückwärts zu zeigen, ich konnte mir das in meinen kühnsten Träumen nicht denken! Bis ich dies herausgefunden hatte ging ich immer davon aus, dass das Absägen eines Baumes reversibel sei. Ich war nur verwundert, dass niemand einen Baum wieder mit seiner Säge zusammenfügte während ich zusah.

Kleine Kinder sind doch tatsächlich sehr dumm.

Und es geht ihnen tatsächlich auch sehr gut damit.