Streber

Es ist schon erstaunlich, was manche Leute auf ihrem Grabstein zu stehen haben. Was soll dieser hier mir sagen?

„Kieke, ick war zeitlebens stinkefaul und habe infolgedessen nüscht erreicht“?

oder eher

„Kieke, ick hab immer nur für Dich den Buckel krumm gemacht, deshalb sank ich mittellos in dieses schmucklose Grab, Du Arsch!“?

Vermutlich soll hier auf die totale Selbstlosigkeit hingewiesen werden, die der oder die Verstorbene zur Lebensmaxime sich gemacht hat. Und das kann ja möglicherweise auch erfüllend sein. Klingt aber irgendwie nicht so.

Noch fragwürdiger ist allerdings dieser Grabstein:

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Als ich diesen Grabstein sah, übrigens gerade einmal zwei Grabstellen weiter als der im Titel befindliche, da waren meine Gedanken in etwa diese: „Heureka, im Gegensatz zu dir habe ich in meinem Leben auch schon so etwas wie Freude erlebt!“

Gefunden habe ich die beiden Steine in Schlesien auf dem Kirchhof einer bedeutenden protestantischen Holzkirche. Ich hoffe, die Ansiedlung der polnischen Bevölkerung dort hat ein wenig Lebensfreude in diesen Landstrich gebracht, auch wünsche ich mir, dass die vertriebenen Schlesier und Schlesierinnen in ihrer neuen Heimat gelernt haben, auch mal für sich zu arbeiten und die Früchte ihrer Arbeit in die Bereicherung ihres Lebens zu stecken imstande waren.

Alles andere wäre auch zu traurig.

Tiefschürfend

Eine gute Idee, den Verstorbenen beim Einfahren in den Schacht der Ewigkeit den traditionellen  Bergmannsgruß hinterherzurufen.

Auf dass sie Erzgänge und Kohleflöze finden werden…

Glück Auf!

Gelenkig

Es geschehen noch Zeichen und Wunder!

Weil ein neues Jahr begonnen hat, gab ich mir selbst das Versprechen, meinem Leibeswohl ein wenig auf die Sprünge zu helfen mittels Bewegung. Heißt: Angesichts der Tatsache, dass ich ja aufgrund meiner Lohnerwerbsbiographie nicht mehr arbeitend auf dem Bau Sport treibe, möchte ich dies jetzt in meiner Freizeit ein wenig häufiger tun, um dem Zuwachs an Körpervolumen entgegenzuwirken.

Nicht geneigt bin ich, der Industrie der Fitnessstudios ins Netz zu gehen. Auch werde ich mich nicht an Yoga versuchen, das erscheint mir mit dem hippieartigen Glaubenshintergrund und dem Gesinge auch nicht meins zu sein, wobei ich das nicht ehrlich sagen kann, ich habe mich noch nicht intensiv damit befasst. Aus einem Fitnessstudio entsetzt rausrennen wegen Ätzaerobicmusik und widerlichen Muskelpumpern mit Deutschlandtattoos, das widerum hatte ich schon. Kann man aber vermutlich auch nicht verallgemeinern.

Meine körperliche Ertüchtigung betreibe ich jedenfalls lieber allein, ganz ohne Publikum. Da mache ich dann irgendwelche dusseligen Übungen, die man nicht unbedingt beäugen muss, wenn sie so unbeholfen durchgeführt werden wie ich das zu tun pflege.

Vorhin habe ich aber feststellen müssen, dass mein Leib nun, nach 1,5 Wochen Leibesertüchtigung, mittlerweile biegsamer ist als zu Zeiten meiner Volljährigkeit! Dies vermag ich so genau zu sagen, weil ich mich an meine Musterung erinnere. Dort verlangten die Herren Musterungsschergen nämlich nicht nur, das Skrotum zu betatschen, nein,  sie wollten noch allerhand andere unwürdige Sachen. Zum Beispiel verlangten sie von mir, mit durchgedrückten Knien stehend eine Zusammenführung von Zehen- und Fingerspitzen. Konnte ich nicht. Ich bin mit den Fingerspitzen etwa auf Kniehöhe verreckt. Hat mir aber keiner geglaubt, weshalb ich das noch ein paar Male zu wiederholen hatte, während mir ein Feldmediziner das Rückgrat abtastete und nuschelnd Kryptisches in Richtung Protokollant murmelte.  Ich glaubte ein oder zwei Mal das Wort „Buckel“ zu vernehmen. Schlussendlich stellten die Leute fest, dass ich aufgrund meiner körperlichen Unbeholfenheit nicht als Kanonenfutter (Pionier) einsetzbar sei und man musterte mich auf Tauglichkeitsstufe 2.

Dabei hätte ich mich an diesem Tage auch ohne weiteres ausmustern lassen können, wegen akuter Taubheit. Aber da war ich nicht geistesgegenwärtig genug für. Beim Hörtest nämlich habe ich zeitweise total versagt. Und das obschon ich hören kann wie ein Luchs. Kurz vor der Musterung hatte ich schon einmal einen Hörtest absolviert, bei dem man sagen sollte, wann denn das piepende Geräusch im Kopfhörer erklänge und auf welcher Seite des Kopfes. Gleiches erwartete ich bei der Musterung auch. Ich setzte mir entsprechend die Kopfhörer auf und lauschte gespannt, doch erklang keinerlei Piepton. Vielmehr störte mich ein offenbar großes und schweres Militärfahrzeug auf dem Außengelände des Kreiswehrersatzamtes in meiner Konzentration, indem es da laut herumbrummte. Die Mustermänner beäugten mich zunehmend argwöhnisch, mir trat der Schweiß auf die Stirn, doch hörte ich kein Piepen sondern nur dieses bekackte, immer lauter werdende Scheißpanzerfahrzeug, zunehmend tat mir das Gebrumme in den Ohren weh! Und dann….BATZ!- fiel es mir wie Brocken aus der Nase: Das Panzerfahrzeug existierte gar nicht, der Brummton sollte erkannt werden, daher schauten die mich alle so entsetzt an. Mensch, da soll mal einer drauf kommen. Haben sich vermutlich schon gefragt, wie ich denn überhaupt die Anweisungen zum Betreten des Raumes habe verstehen können.

Blöd wie ich nunmal war habe ich natürlich das Missverständnis aufgeklärt und mich nicht auf Taubheit herausgeredet. Nichtmal eine saftige Klage wegen Körperverletzung für den beinahe entstandenen Tinnitus habe ich der Bundeswehr angeboten.

Aber jetzt bin ich irgendwie abgeschweift. Ich wollte doch eigentlich nur kundtun, dass ich unlängst beinahe vor Schreck verstorben wäre, weil ich plötzlich erstmals in meinem Leben bei ausgestreckten Beinen mit den Fingerspitzen meine Zehen berühren konnte. Und das nicht weil man mir die Füße amputiert hätte.

Ist es nicht schön? Einem jungen Rehlein gleich vermag ich meinen Körper zu verbiegen.

Hach….

Aua

 

 

Alle Türen offen

Damit ich, wie es mir auch stets notwendig erschien, jede Biegung im Lebensweg nehmen kann, habe ich mich schon früh dafür entschieden, mir alle möglichen Türen aufzustoßen und das Zuknallen von Türen tunlichst zu vermeiden. Am Liebsten mit geringstmöglichem Aufwand bei gleichzeitig größtmöglicher Ausbeute. In Sachen Bildung habe ich hier relativ mittelschwer viel erreicht.
Erstaunlicherweise habe ich mit dieser Taktik, welche mir viele Kurven und Abzweige ermöglichen sollte, einen ziemlich geraden Lebensweg hingelegt. Bislang jedenfalls. Aber darauf will ich gar nicht hinaus. Vielmehr treibt mich seit nunmehr etwa einer Dekade die Frage nach der Bedeutung meines höchsten Titels um. Vor ein paar Jahren nämlich erwarb ich ein Diplom. Zwar nur ein zweitklassiges FH-Diplom, aber jetzt bin ich doch immerhin das, was man Diplomingenieur nennt.
Aber was soll denn das eigentlich bedeuten, Diplom? Scheint das doppelte eines Monoploms zu sein. Ein Monoplom könnte man entsprechend auch als Plom bezeichnen. Aber was zum….?!!? Ich habe keine Ahnung, was ein Plom ist.
Nun heißt es zwar allgemein etwa so: „Dem Ingenieur ist nüscht zu schwör!“, was freilich auch komplett stimmt, ich kann ja auch alles, und das vollkommen perfekt, aber die Recherche nach der Herkunft und Bedeutung des doppelten Ploms ist mir doch offenbar viel zu popelig. Anstatt die Frage mithilfe des Internets zu beantworten oder zumindest den entsprechenden Versuch zu unternehmen frage ich mich lieber zehn Jahre und länger täglich dieselbe blöde Frage und vergeude kostbare kognitive Energie mit diesem Mumpitz anstatt Weisheit, Weltformel und Weltfrieden zu ersinnen.
Machen wahrscheinlich alle Universalgenies so.

Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Übertrieben von mir selbst überzeugt bin ich übrigens nicht.

Feldwirtschaft

Verwundert stolpere ich gelegentlich über verwirrende Worte. So fiel mir unlängst das Wort „Gottesacker“ auf. Warum Gottesacker? Wie soll ich mir denn da die Ernte vorstellen? Und ist das Bewirtschaften eines Gottesackers denn nicht Blasphemie, dieweil es ja nur den einen Gott gibt, bzw. geben darf? Wieso sollte den denn dann einer vermehren wollen und sollen? Und wie sieht denn da das Saatgut aus?

Letztere Frage lässt sich relativ leicht beantworten, wenn man sich die den Gottesacker beackernden Bauern und deren Tätigkeit genauer ansieht. Ihr Saatgut wird meist in großen Holzkisten geliefert und ist oftmals tatsächlich ziemlich keimig. Manchmal jedoch wird das Saatgut auch in kleineren Gefäßen gebracht, dann allerdings ist es meistens bis zur totalen Keimfreiheit erhitzt worden. Dennoch wird es ausgebracht.

Über jedes einzelne Stück Saatgut, welches ca. sechs Fuß tief vergraben wird (meines Erachtens viel zu tief um Erträge erwarten zu können), wird unvernünftigerweise meistens ein Stein gestellt. Damit wird es noch schwieriger für das erwartete Nutzgewächs.

Es gibt offenbar keine optimale Jahreszeit zur Aussaat, das Saatgut wird zu jeder Jahreszeit, gar bei tiefem Frost unter großen Mühen und großer Anteilnahme ausgebracht. Wirre Rituale in eigens dafür errichteten Gebäuden gehen der eigentlichen Aussaat voraus. Auch geschieht das Ausbringen nicht systematisch. Vielmehr wirkt die Standortwahl für die nächste Pflanzbemühung fast willkürlich, ja das Saatgut selbst und genetisch verwandtes Material legen den Standort fest. Oft geschieht es auch, dass das genetisch annähernd gleiche Material entgegen jeder gärtnerischen Vernunft an ein und demselben Platz in die Erde gebracht wird, auch wenn, wie bislang immer, der Ertrag zur Gänze ausblieb.

Erntemaschinen gibt es nicht. Für die Aussaat wird teilweise schweres Gerät zum Einsatz gebracht, die Ernte aber scheint auf dem herkömmlichen Gottesacker nicht erwartet zu werden. Vermutlich weil bis heute niemand weiß, wie ein reifer Gott aussieht und wie er zu ernten wäre. Ist es ein Götzenbild? Und wenn ja, in welcher Größe und aus welchem Material? Ist es ein lebend Wesen? Dann könnte und dürfte man ja nicht mit brachialer mechanischer Gewalt  zu Werke gehen. Die Ernte könnte beschädigt werden.

Doch sollte es dereinst tatsächlich einem Ertragsbauern im Götteranbau gelingen, einen erntereifen Gott anzubauen, was dann? Wo sind die Abnehmer? Wer sind die Abnehmer? Atheisten? Und wenn die dann die neuen Götter ankaufen, sind sie dann weiterhin Atheisten? Und was tun die mit der Ware? Verarbeiten? Und wie?

Fragen über Fragen über Fragen Über Fragen.

Der Mensch ist schon ein komisch Wesen.