Rehgenschauer

Man stelle sich das Folgende vor:

Ein irrer Wissenschaftler, so einer in einer schwarzen Burgruine mit Orgel im Turm und stetigem Gewitter in der zerklüfteten bergigen Umgebung, kommt auf mich zu und bietet mir seine Dienste an, mit der Frage, was er für mich tun könnte. Spontan fiele mir bestimmt nichts anderes ein, als dass er mich mittels Genmanipulation dahingehend umgestalten könnte, dass mir und meinen Nachkommen in Zukunft alljährlich ein prächtiges beinernes Gestänge, gleich dem des Rehbocks, aus der Stirn wüchse.

Stellen wir uns ferner vor, dem Wissenschaftler gelänge dies. Mein Äußeres wäre dann grotesk verändert. Zweifelsohne schüttelte es verschiedene Menschen, die meiner ansichtig würden, vor Grusel. Diese durch das Geweih hervorgerufene körperliche Reaktion wäre doch sehr treffend mit nur einer einzigen Vokabel zu beschreiben, nämlich:

Reh-Gen-Schauer.

Oder?

Korb

Es begab sich aber zu der Zeit, da ich noch ein heranwachsender Halbstarker war, dass ich im Winter mit einem Pulk ähnlich alter Leute mich mit Hilfe des Wochenendtickets für 35 D-Mark auf die Insel Sylt aufmachte, um dortselbst in einer kleinen Wohnung mit niedriger Decke in Westerland ein paar Tage im tiefsten Winter zu verbringen.

Es war bitterlich kalt, beim ersten Besuch an der Nordsee im Dunkeln war diese vom gefrorenen Strand kaum zu unterscheiden. Das Wasser war halb gefroren, etwa so wie der Squishee, den Apu Nahasapeemapetilon in Springfield verkauft, nur nicht in bunt. Beinahe wäre ich hineingelatscht.

Der Strand selbst war hart wie Beton, ein starker Wind blies und die kleinen Strandläufervögel kauerten sich hinter kleine Sandvorsprünge um nicht sogleich zu gefiederten Eisklumpen gefrieren. Die, die das Glück hatten, einen solchen Platz ergattert zu haben, bewegten sich nicht von diesen Plätzen weg, man hätte sie einsammeln können. Die Restlichen lagen steifgefroren am Strand herum.

Wir froren erbärmlich. Dennoch wollten wir am Strand verbleiben. Nahe der Uferpromenade von Westerland standen einige Strandkörbe herum. Diese schoben wir uns zu einem Kreis zusammen um uns vor dem Wind zu schützen. Bedauerlicherweise waren zwei der vier benutzten Körbe einst zum Sammeln möglichst vieler Sonnenstrahlen so eingestellt worden, dass die Sitzkorbüberdachungen weit nach hinten standen. Als Windschutz taugt das natürlich nicht. Daher machten wir uns umgehend daran, die Körbe umzutransformieren. Beim Ersten Korb ging das auch relativ gut und problemlos, Arrettierung lösen, Korbdeckel nach vorne schieben, fertig.

Der nächste Korb war etwas widerspenstiger. Vermutlich war an ihm irgendwann vor Kurzem einmal Spritzwasser haften geblieben, weshalb die Beweglichkeit der Scharniere deutlich eingeschränkt war. Annähernd zum Erliegen gekommen, könnte man sogar sagen. Mit vereinten Kräften machten wir uns nun an dem Ding zu schaffen, ich ruckelte vorn, irgendjemand rüttelte an der Seite herum und ein Dritter machte sich hinten am Stradkorb zu schaffen. Der sich nicht einstellen wollende Erfolg unserer Bemühungen nun ließ den hinten wirkenden Mitstreiter zu rabiateren Mitteln greifen: Er nahm Anlauf und rammte seine Schulterblätter an das hintere Ende des Strandkorbes.

Möglicherweise aus Sorge vor drohender Beschädigung, fortschreitender Randale oder sonstigem Vandalistentum nahm dies der Strandkorb zum Anlass, seine Starre aufzugeben und sich der Existenz leichtgängiger Scharniere zu erinnern; mit einem Schlag war das Verdeck zugeklappt. Das war schön, denn wir hatten erreicht, was wir wollten.

Nicht so schön war aber die Tatsache, dass ich das Strandkorbverdeck mit Schmackes an die Schläfe gedonnert bekommen hatte. Mir war leicht schwindelig und ein klein wenig blümerant. Aus Sorge vor einem drohenden Kollaps verabschiedete ich mich von den nun im Windschatten sitzenden Kollegen, tupfte mir ein wenig Blut von der Kopfseite und torkelte heim.

Zu Hause in unserer Wohnung angekommen stellte ich fest, dass die kleine Wunde, die  infolge des heftigen Zusammenpralls mit dem Strandkorb am Ende meiner Augenbraue klaffte, zwar nur wenig, aber dafür stetig blutete und ein kleines Blutrinnsal sich bereits über einen beträchtlichen Teil meines Gesichtes ergossen hatte. Und sofort hatte ich eine lustige Idee!

Alle meine Mitreisenden waren noch am Strand, sie wollten auch bald in die Wohnung kommen und sehen, ob es mir denn gut ginge. Sie waren leicht besorgt, und das war gut. Ich durchstöberte die Wohnung nach Kerzen und Teelichten, beräumte den im Esszimmer stehenden Tisch. Nachdem ich den gesamten Raum mit Kerzenlicht illuminiert hatte drapierte ich mich auf dem Tisch mit der blutenden Gesichtsseite in Richtung Tür. Und dann ließ mein Blut ruhig weiter fließen. Auf dem Rücken liegend faltete ich meine Hände auf der Brust und wartete.

Und wartete.

Und wartete.

Irgendwann kamen die Anderen dann auch wieder, hatte wohl auch bewusstseinserweiterndes konsumiert und fanden sich plötzlich und unerwartet in einem Mausoleum wieder. Ihre Gesichter gefroren noch doller als ohnehin schon von dem frostigen Wetter draußen.

Es dauerte aber nicht lange, bis mein gackerndes Gelächter die Schreckensrufe meiner Reisegesellschaft zum Verstummen brachte, aber speziell mein Namensvetter, welcher mir das Strandkorbverdeck versehentlich an den Kopf knallte, erinnert sich immer noch an diesen Moment. Und ist immer  noch verstört, wie er mir einmal mitteilte, vor etwa einem Jahr.

Das tut mir ein klitzekleines bisschen Leid. Macht mich aber auch ein klitzekleines bisschen stolz, habe ich doch offenbar das angestrebte Bild bei meinem Streich ganz gut getroffen.

Brunst

Wer kennt das nicht: Gelangweilt latscht man an einem puscheligen Waldrebengerankel vorbei und zündet nebenher einen der filigranen Clematispuschel an. Üblicherweise macht es dann, wie in einer magischen Varietéshow, „FUFF!“ und das Puschelchen ist bis auf ein  paar wenige klitzekleine Ascheflusen verschwunden.

Genau das habe ich auch mal gemacht. Ist gottlob verjährt, daher kann ich meine Warnung hier nun öffentlich kundtun: Beachtet bitte die Fülle der Flusen, bevor ihr sie mit Eurem Feuerzeug in Flammen setzt! Mir geschah einst das Folgende: Nichtsahnend und auch nichts Schlimmes erwartend zündete ich auf dem Heimweg von der Schule ein paar fuffelige Flusen an, welche an einem verwahrlosten Maschendrahtzaun am Wegesrand wuchsen. Das Waldrebengerankel hatte sich bereits bis in die Kronen der hinter dem Zaun wachsenden Weißdornsträucher hinaufgearbeitet. Zudem schien es der Pflanze an nichts zu mangeln, offenbar hatte sie im Sommer üppigst geblüht und reichlich flusige Frucht hervorgebracht. Das hatte ich aber nicht weiter beachtet, auch nicht bedacht und vor allem nicht einkalkuliert in die möglichen Folgen meines Tuns. Denn der einzelne Flusenfuffel, den anzuzünden ich beabsichtigt hatte, brannte lichterloh auf und entzündete die nächsten beiden, welche wiederum die nächsten und so weiter und so fort. Eh ich mich’s versah stand der halbe Zaun in Flammen. Ich versuchte noch, die Flammen durch wildes Draufrumhauen zu ersticken, doch wurde es dadurch möglicherweise noch schlimmer, jedenfalls hatte ich im Versuch die Flammen zu ersticken keinerlei Erfolg. Das Feuer breitete sich rasant aus, das ganze Gestrüpp war insgesamt ziemlich trocken und uraltes trockenes Laub, seit Jahren im Gebüsch gefangen, gab dem Feuer zusätzliche Nahrung.

Ich entfloh dem Ort meiner unbeabsichtigten Missetat und verhielt mich anschließend auffällig unauffällig: Ich machte meine Französisch-Hausaufgaben. Tat ich sonst nie. Beim Blick von meinem Schreibtisch aus dem Fenster musste ich dann eine gigantische schwarze Rauchsäule ertragen, welche die Sonne zu verdunkeln sich anschickte. Zu allem Überfluss verleitete mich dann mein Vater auch noch zum Gaffen, fetter Feuerwehreisatz zwei Straßen weiter, das ist doch aufregend und so. Schlimm. Glaubwürdig konnte ich mich da nicht drumrumdrücken, entsprechend musste ich an den Ort meiner unbedachten Verfehlung zurückkehren und die emsige Betriebsamkeit bestaunen, die ein einziges Funzeln mit dem Feuerzeug ausgelöst hatte. In Flammen stand ein Brennstoffhandel, in erster Linie Kohlen, doch drohten die Flammen auf einen mit Öl und Benzin bestückten Schuppen überzugreifen. Die Feuerwehrleute wirkten angespannt. Ist dann aber nicht passiert mit dem Schuppen. Personenschäden sind auch keine entstanden. Puh.

Erwischt wurde ich nie, jedoch musste ich noch ein paar Jahre auf dem Weg von der Schule nach Hause immer an diesem Zaun vorbei. Im Maschendrahtgeflecht waren noch lange die geschmolzenen Überreste verschiedener Werbeschilder aus Plastik zu sehen. Die sind eventuell teilweise sogar immer noch da. Müsste ich mal überprüfen.

Also denket bitte daran: Waldrebengerankelpuscheln nur dann anzünden, wenn man sicher ist, dass nach einem kleinen „FUFF!“ auch alles wieder vorbei ist. Es kann sonst bös enden.

Streber

Es ist schon erstaunlich, was manche Leute auf ihrem Grabstein zu stehen haben. Was soll dieser hier mir sagen?

„Kieke, ick war zeitlebens stinkefaul und habe infolgedessen nüscht erreicht“?

oder eher

„Kieke, ick hab immer nur für Dich den Buckel krumm gemacht, deshalb sank ich mittellos in dieses schmucklose Grab, Du Arsch!“?

Vermutlich soll hier auf die totale Selbstlosigkeit hingewiesen werden, die der oder die Verstorbene zur Lebensmaxime sich gemacht hat. Und das kann ja möglicherweise auch erfüllend sein. Klingt aber irgendwie nicht so.

Noch fragwürdiger ist allerdings dieser Grabstein:

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Als ich diesen Grabstein sah, übrigens gerade einmal zwei Grabstellen weiter als der im Titel befindliche, da waren meine Gedanken in etwa diese: „Heureka, im Gegensatz zu dir habe ich in meinem Leben auch schon so etwas wie Freude erlebt!“

Gefunden habe ich die beiden Steine in Schlesien auf dem Kirchhof einer bedeutenden protestantischen Holzkirche. Ich hoffe, die Ansiedlung der polnischen Bevölkerung dort hat ein wenig Lebensfreude in diesen Landstrich gebracht, auch wünsche ich mir, dass die vertriebenen Schlesier und Schlesierinnen in ihrer neuen Heimat gelernt haben, auch mal für sich zu arbeiten und die Früchte ihrer Arbeit in die Bereicherung ihres Lebens zu stecken imstande waren.

Alles andere wäre auch zu traurig.

Gnatz VII, ein Nachtrag

Wie aus dem letztens entstandenen Text ersichtlich ist, habe ich ja keinerlei Probleme mehr mit dem Berliner Bürgeramt zu erwarten bis 2026. Allerdings habe ich mitbekommen, dass auf dem Amt noch ganz andere Fallstricke ausgelegt sind. Nämlich hatte ich zu tun mit einem jungen Mann, welcher noch kein Konto hat, sich aber eines einrichten möchte. Hierfür benötigt er ein gültiges Personaldokument. Sein Dokument jedoch ist kürzlich abgelaufen. Folglich muss er jetzt den beschwerlichen Weg durch das Bürgeramt nehmen, stößt hier aber auf das nächste Problem: Man kann auf den Bürgerämtern die Personalausweisausstellungsbearbeitungsgebühr nur noch mit EC-Karte bezahlen.Welche man aber nur bekommt, wenn man ein Konto hat. Was man nur einrichten kann, wenn man einen Personalausweis hat. Welchen man lediglich mit EC-Karte bezahlen kann. Was nur geht, wenn….

Ich sehe den jungen Mann schon sein restliches Leben mit dem unmöglichen Versuch verbringen, diesem ewigen Kreislauf zu entrinnen. Ohne Hilfe von außen wird ihm das niemals gelingen! Ihm wird die Teilhabe an der Welt von Ämterseite verwehrt! Ist das rechtens?

Ich habe da so meine Zweifel.

Druckstellen

Vor Wochen schon geschah das nun zu schildernde Ungemach:

Sehr zu meinem Leidwesen hat der Versicherungswechsel meines Anhängers von meiner Versicherung zu einer deutlich billigeren Versicherung nicht geklappt, weshalb ich fiese Post von der Zulassungsbehörde bekommen habe. Nun hieß es: Sich kümmern. Habe ich natürlich gleich mal nicht gemacht, sondern den Mist ein wenig verschleppt, bis dann die Zeit zur Erledigung beinahe vorbei war. Zwangsweise musste ich wieder zur alten Versicherung zurück und der auch flink die Kohle rüberwachsen lassen und das auch belegen können damit die dann sofort die Behörden informieren können, auf dass nicht das Exekutionskommando mich von der Haustür mit Genickschuss…

Entsprechend habe ich schnell das Geld überwiesen, mir den entsprechenden Kontoauszug runtergeladen und wollte den dann ausdrucken. Weil mein Drucker es vor einiger Zeit vorzog aus künstlerischer Freiheit die Farbe Schwarz zu boykottieren war ich gezwungen, mich dem ungeliebten Drucker meiner Gemahlin zu nähern. Eigentlich hat sie verfügt, dass ich mit dem niemals nie nicht mehr und unter gar keinen Umständen jemals wieder Umgang pflegen dürfe, denn beim letzten Mal habe ich von ihm Dinge verlangt, die er nicht imstande war zu erledigen, weshalb er danach erst wieder unter großem Zeitaufwand dazu gebracht werden musste wieder wie gewohnt Dienst zu tun.

Was ich getan hatte wollt Ihr wissen? Sage ich Euch: Nichts Unübliches für einen Drucker. Ich wollte ein dreiseitiges Dokument ausgedruckt haben und habe ihm daher drei Seiten Papier gefüttert. Auf einmal! Das kann der aber nicht vertragen. Wusste ich nicht. Wenn man ein Dokument ausdrucken möchte bei dem Teil, dann muss man ihm jede Seite einzeln geben und abwarten, bis er anfängt zu nörgeln weil er mehr Papier braucht. Gibt man ihm zwei oder mehr Seiten auf einmal ist er beleidigt und meutert. Meuterei bedeutet bei dem Drucker, er stellt den Dienst komplett ein und es bedarf einiger Mühe, ihn wieder milde zu stimmen. Das kann Tage dauern.

Weil ich um diese Marotten des betagten Gerätes wusste habe ich soviel Zeit wie möglich eingeplant, um meinen  einfachen Kontoauszug auszudrucken. Doch wohnt dem Drucker ganz offenbar der Beelzebub persönlich inne. Bosheit war es, was er mir entgegenbrachte. Ich hatte ja schließlich aus der Vergangenheit gelernt und immer einzelne Seiten in der Hand, um sie dem verdammten Mimosendrucker zu füttern. Auch hielt ich mich mit Kraftausdrücken zurück und beschimpfte das Gerät nur moderat.

Dennoch hat der Apparat sich neue und komplett unerklärliche Fiesheiten ausdacht um mich zur Weißglut zu bringen: Der Drucker vermochte es tatsächlich, immer wieder die gleiche Dokumentenseite auszudrucken und nur die von mir benötigte Zeile entweder wegzulassen oder durch kryptische Zeichen zu ersetzen. Später verlagerte er seine Aktivität darauf, einfach nur noch mehrfach die Testseite des Druckers auszudrucken. Unaufgefordert. Nachdem dieser Missstand wieder behoben war wurde weiterhin konsequent einzig die relevante Transaktion weggelassen.

Ende vom Lied war eine kostenpflichtige erneute Anforderung des Kontoauszuges beim Auszugsdrucker der Sparkasse und vermutlich ein Magengeschwür, weil ich es nicht wagte, den Drucker mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu atomisieren. Beinahe hätte ich sogar einen Exorzisten zu Rate gezogen, denn eine derartige Bosheit kann ich mir bei einem technischen Gerät eigentlich nicht vorstellen. Dieser Drucker MUSS vom Teufel besessen sein.

Andererseits…wenn sich der Leibhaftige nun wahrhaftig in diesem beschissenen Drucker manifestiert haben sollte, was täte er, wenn ich ihn darin  beließe? Wenn ich keine Teufelsaustreibung vornähme? Wäre er auf immerdar im Körper des verschlissenenn Druckers gefangen?

Ich glaube, ich frage mal beim Vatikan nach.

Die wissen sowas.

Bestimmt.

Und wegen meiner Weitsicht werde ich die Schätze des Vatikan als Belohnung….

Total vernetzt

Mein Haustier trägt keinen Namen. Es ist kein Fisch, kein Hamster und auch kein Kätzchen, nicht mal ein Schwein.

Es ist von ganz allein in meinem Haushalt aufgetaucht und lebt still vor sich hin. Es ist haarig, jedoch nicht flauschig. Auch kann man ihm nicht direkt Niedlichkeit attestieren.

Ich füttere es nie. Doch höre ich darob niemals einen Klagelaut.

Es ist ein friedliches und nützliches Haustier.

Es lebt am Fenster in unserer Wäschekammer. Am Oberlicht. Seine Behausung hat es sich selbst gebastelt.

Es handelt sich um ein mittlerweile recht stattliches Exemplar einer Kreuzspinne. Sie residiert bei uns schon seit längerer Zeit und sie verhindert das nervige Herumgesumme lästiger Insekten, indem es diese in seinem formschönen Netz einfängt und sodann tötet und verspeist. Aufgrund dieser Eigenschaft wird die Spinne auch geduldet.

Zum Zeitpunkt ihres Einzuges hatten wir gerade ein kleines Problem in der der Wäschekammer nächstgelegenen Küche. Dort trieben Lebensmittelmotten ihr Unwesen und wir hofften bis zum Entdecken ihres Ursprungs die Population mithilfe unseres neuen Haustieres kontrollieren zu können. Nachdem wir die Motten in unserer Wohnung erfolgreich wieder ausgerottet hatten bangte ich kurzzeitig um die Spinne, war doch eine wichtige Nahrungsquelle derselben versiegt. Doch die Spinne blieb hiervon unbeeindruckt. Offenkundig kommen genügend andere Insekten von draußen herein, auch schweben gelegentlich mal ein paar Fruchtfliegen durch unsere heiligen Hallen und bieten sich als Nährstofflieferant an.

Zumeist saß unsere Spinne einfach nur da, inmitten ihres Netzes und tat nichts. Entsprechend wurde sie auch ohne die verflixten Motten weiterhin akzeptiert, jedoch nicht von allen geliebt. Mitunter glaubten wir sogar, sie sei bereits tot und hinge nur noch aus alter Gewohnheit oben im Netz. Seit ein paar Tagen jedoch ist ein gesteigertes Aktivitätsniveau zu beobachten, sie hampelt wild herum und tollt lustig durch ihre Behausung, sehr zum Missfallen meiner Frau. Sie hofft, die Spinne würde noch einmal jugendlich tun, um sodann plötzlich an altersbedingtem Multiorganversagen zu versterben. Auch erwog sie bereits einen hinterhältigen Giftmord. Dieser diabolische Plan wurde jedoch  glücklicherweise in Ermangelung giftiger Kleinstinsekten, welche wir der Spinne verfüttern könnten, wieder verworfen.

Ich verteidige unseren achtbeinigen und vieläugigen Freund immerzu. Sein Leben ist mir lieb und teuer, ich mag die filigranen Formen seines Gespinstes, bewundere die Anmut seiner Zeichnung und freue mich über seine für mich sehr nützliche Art der Ernährung. Auch ist er sehr pflegeleicht, kümmert sich um alles selbst und lärmt nicht herum. Lediglich die Tatsache, dass die Spinne nicht stubenrein ist nervt leicht, sie kackt immer auf die Fensterbank.

Aber das lässt sich leicht wegmachen, und stinken tut es auch nicht.

Alles in allem kann ich nur jedem raten, sich in einer abgelegenen Ecke der Wohnung eine Kreuzspinne zu halten. Ihr Nutzen überwiegt die von ihr ausgehende Gefahr bei weitem. Auch ist die Gefahr, dass die Spinne durch die Wohnung trabt, um garstige Gespinstnester in den Körperhöhlungen der schlafenden Bewohner anzulegen gegen Null tendierend, eine Kreuzspinne ist stinkefaul und ein eingefleischter Stubenhocker. Sie verlässt ihr Nest praktisch nie. Bei unserer Spinne zumindest habe ich ein solches Verhalten bislang noch nicht beobachten können, sie hockt, wie bereits erwähnt, zuverlässig im Netz und lässt sich das Essen kommen, zwischendurch werden kleinere Reparaturmaßnahmen an der eigenen Immobilie vorgenommen, und selbst hierfür ist ein Verlassen des Netzes nicht vonnöten, dieweil alle Baustoffe körpereigen hergestellt werden.

Sollte dereinst einmal meine Spinne doch einen terroristischen Anschlag auf mein Leben verüben wollen, ich bin und bleibe unbesorgt. Ich habe einmal in einem Dokumentationsfilm gesehen, dass von Spinnen gebissenen Menschen plötzlich die Sinne geschärft, ihnen Superkräfte zuteil und ihre körperliche Anmut gesteigert werden.

Ich muss kurz nachdenken, wie hieß der noch?

Ach ja, Spiderman.

 

Seemannsgruß

Vor einigen Tagen tauchte im Zwiegespräch gelegentlich die Vokabel „Ahoi“ auf. Hierbei wurde berichtet, dass es sich bei diesem Wort um ein tschechisches Grußwort handelt, welches man sowohl bei der Begrüßung als auch zum Abschied freundlich rufen kann.

Mir selbst jedoch ist das Wort „Ahoi“ eigentlich eher als nautischer Ruf geläufig. Angesichts der Tatsache, dass Tschechien in seiner Eigenschaft als Binnenland über keinerlei Küste verfügt stellt sich mir nun natürlich die Frage, wieso ein und dieselbe Vokabel an so derartig unterschiedlichen Orten verwendet wird. Ich habe, darüber nachsinnend, eine Theorie entwickelt:

Die Tschechen blicken auf eine lange Tradition der Braukunst zurück. Entsprechend kann man den Tschechen sicherlich auch nachsagen, dass sie dem Genuss des alkoholischen Hopfengetränkes eher nicht abgeneigt sind. Daraus schlussfolgernd nehme ich an, dass mit großer Wahrscheinlichkeit gelegentlich auch der eine oder andere Vollrausch vorgekommen sein wird.

Zudem entspringt in Tschechien die Elbe und wird dort auch bereits zu einem recht stattlichen Fluss. Auf diesem kann man gut mit dem Ruderboot zum Angeln rausfahren und dabei vortrefflich Bier in sich reinschütten. Geht man nun davon aus, dass hin und wieder mal ein tschechischer Bürger beim Fischfang in ein Alkoholdelirium gefallen ist und er infolgedessen ohne es zu merken sämtliche deutschen Landen auf der Elbe durchmaß und sich schlussendlich ausgenüchtert im nudeldicken Nebel auf der Nordsee wiederfand, so ist es wahrscheinlich, dass er, verwundert über die großen Wogen und das salzige Wasser, versucht haben wird, irgendwie die Aufmerksamkeit von irgendjemandem zu wecken. Und das geht ganz gut mit „Hallo“-Rufen, auf Tschechisch eben „Ahoi“.

Und weil sich dies vermutlich recht häufig genau so abgespielt haben wird ist der Ruf „Ahoi!“ seit langem ein allgegenwärtiges Geräusch auf der Nordsee, vergleichbar mit Möwengeschrei und Wellenrauschen.

Und so kam es, dass das tschechisch Grußwort Ahoi zu einem international anerkannten nautischen Begriff geworden ist.

Ich bin mir fast sicher, dass es sich genau so zugetragen hat.

Nein, eigentlich bin ich mir sogar todsicher.

 

Erschütterung

Gerade habe ich mir mal wieder die Borsten aus dem Antlitz geschabt.

Anschließend habe ich mir ein paar Tropfen Aftershave auf die Haut geschmiert und musste dabei feststellen, dass mein Rasierwasservorrat zur Neige geht. Vor Jahrzehnten hatte ich mir mal ein entsprechendes Elixier in einem kleinen Flakon gekauft und es schien mir, als wäre der Vorrat unerschöpflich. Doch offenbar ist dem leider nicht so.

Voller Grauen blicke ich nun  in eine  Zukunft, in welcher sich ein erneuter Besuch in einem infernalisch stinkenden Duftwasserkaufhaus anzubahnen scheint….

Ich habe fürchterliche Angst.