Kunst

Wenn ich mich ausschließlich mit künstlich hergestellten Nahrungsmitteln mäste, die vollgestopft sind mit künstlichen Aromen und künstlichen Geschmacksverstärkern, sämtliche natürlichen Ingredienzien wurden zumindest mit Kunstdünger gezogen oder sind mit künstlichen Wachstumshormonen unter künstlichem Licht gewachsen, dann ist doch mein daraus resultierender schwammiger Leib eine Kunstfigur, oder?

Brunst

Wer kennt das nicht: Gelangweilt latscht man an einem puscheligen Waldrebengerankel vorbei und zündet nebenher einen der filigranen Clematispuschel an. Üblicherweise macht es dann, wie in einer magischen Varietéshow, „FUFF!“ und das Puschelchen ist bis auf ein  paar wenige klitzekleine Ascheflusen verschwunden.

Genau das habe ich auch mal gemacht. Ist gottlob verjährt, daher kann ich meine Warnung hier nun öffentlich kundtun: Beachtet bitte die Fülle der Flusen, bevor ihr sie mit Eurem Feuerzeug in Flammen setzt! Mir geschah einst das Folgende: Nichtsahnend und auch nichts Schlimmes erwartend zündete ich auf dem Heimweg von der Schule ein paar fuffelige Flusen an, welche an einem verwahrlosten Maschendrahtzaun am Wegesrand wuchsen. Das Waldrebengerankel hatte sich bereits bis in die Kronen der hinter dem Zaun wachsenden Weißdornsträucher hinaufgearbeitet. Zudem schien es der Pflanze an nichts zu mangeln, offenbar hatte sie im Sommer üppigst geblüht und reichlich flusige Frucht hervorgebracht. Das hatte ich aber nicht weiter beachtet, auch nicht bedacht und vor allem nicht einkalkuliert in die möglichen Folgen meines Tuns. Denn der einzelne Flusenfuffel, den anzuzünden ich beabsichtigt hatte, brannte lichterloh auf und entzündete die nächsten beiden, welche wiederum die nächsten und so weiter und so fort. Eh ich mich’s versah stand der halbe Zaun in Flammen. Ich versuchte noch, die Flammen durch wildes Draufrumhauen zu ersticken, doch wurde es dadurch möglicherweise noch schlimmer, jedenfalls hatte ich im Versuch die Flammen zu ersticken keinerlei Erfolg. Das Feuer breitete sich rasant aus, das ganze Gestrüpp war insgesamt ziemlich trocken und uraltes trockenes Laub, seit Jahren im Gebüsch gefangen, gab dem Feuer zusätzliche Nahrung.

Ich entfloh dem Ort meiner unbeabsichtigten Missetat und verhielt mich anschließend auffällig unauffällig: Ich machte meine Französisch-Hausaufgaben. Tat ich sonst nie. Beim Blick von meinem Schreibtisch aus dem Fenster musste ich dann eine gigantische schwarze Rauchsäule ertragen, welche die Sonne zu verdunkeln sich anschickte. Zu allem Überfluss verleitete mich dann mein Vater auch noch zum Gaffen, fetter Feuerwehreisatz zwei Straßen weiter, das ist doch aufregend und so. Schlimm. Glaubwürdig konnte ich mich da nicht drumrumdrücken, entsprechend musste ich an den Ort meiner unbedachten Verfehlung zurückkehren und die emsige Betriebsamkeit bestaunen, die ein einziges Funzeln mit dem Feuerzeug ausgelöst hatte. In Flammen stand ein Brennstoffhandel, in erster Linie Kohlen, doch drohten die Flammen auf einen mit Öl und Benzin bestückten Schuppen überzugreifen. Die Feuerwehrleute wirkten angespannt. Ist dann aber nicht passiert mit dem Schuppen. Personenschäden sind auch keine entstanden. Puh.

Erwischt wurde ich nie, jedoch musste ich noch ein paar Jahre auf dem Weg von der Schule nach Hause immer an diesem Zaun vorbei. Im Maschendrahtgeflecht waren noch lange die geschmolzenen Überreste verschiedener Werbeschilder aus Plastik zu sehen. Die sind eventuell teilweise sogar immer noch da. Müsste ich mal überprüfen.

Also denket bitte daran: Waldrebengerankelpuscheln nur dann anzünden, wenn man sicher ist, dass nach einem kleinen „FUFF!“ auch alles wieder vorbei ist. Es kann sonst bös enden.