Gnatz, Teil 3

Es ist soweit! Ich habe heute endlich die Personalausweise meiner Söhne aus dem weit entfernten Weißensee abholen können. Und wieder waren verschiedene Dinge nicht so wie gewohnt, obschon der heutige Bürgeramtsbesuch doch immerhin insgesamt vergleichsweise glatt verlief.
Eigentlich bin ich es gewöhnt, beim Abholen der verlangten Dokumente zu einer kleinen Räumlichkeit im Bürgeramt zu gehen und nach den Papieren (oder sagt man heute Plastiken?) zu verlangen, diese werden einem in die Hand gedrückt und – fertig.
Heute war das anders. Heute habe ich zunächst den Raum mit dem Namen „Dokumentenausgabe“ gar nicht gefunden. Nach ihm fragend bekam ich den Befehl, mir eine Wartenummer zu ziehen und im Wartebereich Platz zu nehmen. Habe ich auch brav gemacht.
Vor mir waren noch sechs Nummern, was erstaunlich war, weil im gesamten Wartebereich nur fünf Menschen waren, von denen offenbar auch noch einige als Terminkunden angereist waren (vermutlich aus Winkeln im entgegengesetzten Stadtgebiet), was man an den noch nicht ausgefüllten Formularen auf ihren Schößen erkennen konnte. Jedenfalls dauerte es dann noch über eine halbe Stunde, bis die Nummern vor mir abgearbeitet waren, man braucht eben sehr viel Zeit, um eine kleine Plastikkarte von einer in die andere Hand wandern zu lassen. Ich empfehle dringend, alle Amtspersonen aus der Dokumentenausgabe einer Fortbildung im Drogenmilieu zu unterziehen. Dort könnten sie lernen, schnell und unauffällig Dinge den Besitzer wechseln zu lassen.
In der Zeit, die vergangen war zwischen der Beantragung der Papiere (Plastiken?) vor ein paar Wochen und der Abholung derselben heute geschah es, dass mein Erstgeborener eine Postsendung erhielt mit seinem wiedergefundenen Personalausweis darin. Diesen führte ich heute auch mit, denn ich hatte ihn ja vor ein paar Wochen als verloren gemeldet und wollte, guter Staatsbürger der ich nun einmal bin, den Fund des verloren gemeldeten Dokuments melden, bei dieser Gelegenheit auch gleich das Altdokument ungültig machen lassen und wieder mitnehmen, genauso, wie ich es seit Anbeginn der Zeit mit meinen eigenen Personaldokumenten zu tun pflege. Ich finde es nämlich witzig, meine alten Passbilder nebst den alten krakeligen Unterschriften zu sehen. In Zukunft wird man dieses Vergnügen nicht mehr haben, denn die plastikkartenförmigen Dokumente müssen vernichtet werden.
Jawohl, vernichtet!
Eine ungeheure Frechheit, wenn man bedenkt, dass man es ja als Eigentum zwangsweise für Geld erwerben musste. Jetzt zwingen die einen zur Herausgabe des Eigentums, um es dann zu vernichten! Nach einigen Jahren, in denen man sich an das Dokument gewöhnt hat, ja, man es eventuell sogar lieben gelernt hat, muss man es nun in fremde Hände geben und diese werfen es in einen speziellen Dokumentenschredder!
Schauderhaft.
Aber verhält es sich wirklich so? Der Dokumentenschredder war nirgends zu sehen. Die Dame am Schreibtisch nahm mir lediglich den Ausweis weg und versteckte ihn mit flinken Fingern in einer Schublade.
In Wirklichkeit werden die Dokumente vermutlich an irgendwelche zwielichtigen Banden oder zahlungskräftige Nachrichtendienste verhökert, die dann Schindluder damit treiben. Da funktioniert es dann bestimmt plötzlich sehr gut, das mit der schnellen und unauffälligen Dokumentenübergabe.

Und wer die Vorgeschichte wissen will, der labe sich an https://thynnephph.wordpress.com/2015/05/07/gnatz/ sowie https://thynnephph.wordpress.com/2015/05/19/gnatz-the-sequel/

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